Neurodivergente Menschen haben in vielen Fällen einen guten Bildungsstand und Abschlüsse, die sie zu attraktiven Jobs befähigen. Ihre Beschäftigungsrate hingegen ist niedrig und Depressionen sind unter ihnen weit verbreitet. Das liegt teilweise daran, dass ihre Arbeitsplätze selten auf ihre Stärken und Schwächen zugeschnitten werden, teilweise aber auch am Unverständnis der Kolleginnen und Kollegen. Unternehmen, die von den Talenten neurodivergenter Menschen profitieren möchten, müssen ihre Belegschaften über Neurodivergenz aufklären und die Angestellten sorgfältig schulen lassen.
Die wichtigsten Informationen zu Schulungen für Neurodiversität
-
Viele Menschen haben keine bewussten Berührungspunkte mit neurodiversen Personen und wissen wenig über sie.
-
Kommunikation, Zusammenarbeit und soziales Miteinander können für neurodivergente Personen und ihre Kolleg:innen Herausforderungen bieten.
-
Vorträge und Schulungen informieren über Neurodivergenz und bauen Vorurteile ab.
-
Die Teams erfahren von den möglichen Besonderheiten neurodivergenter Mitarbeitender und lernen, Andersartigkeit nicht zu verurteilen, sondern zu akzeptieren.
-
Kolleg:innen und Führungskräfte erhalten praktische Tipps für die Zusammenarbeit im Arbeitsalltag.
-
Für die Integration neurodivergenter Angestellter ist nicht nur eine Verankerung der entsprechenden Werte in der Unternehmenskultur nötig, sondern eine Haltungsänderung bei den Kolleg:innen – das ist die wohl größte Herausforderung.
Das sind die Herausforderungen in neurodiversen Teams
Da es viele verschiedene Formen von Neurodivergenz gibt, existieren auch ganz unterschiedliche Herausforderungen für neurodiverse Teams in Unternehmen. Die meisten lassen sich auf Unkenntnis der „neurotypischen“ Kolleg:innen zurückführen.
Hinweis: Da rund jede siebte bis jede fünfte Person neurodivergent ist, kennen wir alle mehr neurodivergente Menschen, als uns bewusst ist. Den meisten merken wir im Alltag nicht oder kaum an, dass ihre Gehirne anders funktionieren, doch dieses „Maskieren“ kostet die betreffenden Leute viel Kraft.
Andere Kommunikation
Manche neurodiversen Menschen kommunizieren anders als andere Leute: Smalltalk ist ihnen fremd – ehe sie oberflächlich plaudern, sagen sie nichts. Sie tauschen sich aber sehr gern über ihre Interessengebiete aus, wenn sie jemanden treffen, der sich ebenfalls dafür interessiert. Weitere Punkte, die manche Menschen in der Kommunikation mit neurodivergenten Personen irritieren, können die folgenden sein:
-
Manche neurodivergenten Menschen vermeiden den Augenkontakt oder spielen im Gespräch scheinbar zerstreut mit ihren Fingern (können sich dadurch tatsächlich aber besser konzentrieren).
-
Ironie oder Sarkasmus verstehen einige von ihnen nicht gut.
-
Auch Metaphern und Redewendungen stellen manche von ihnen vor Herausforderungen.
-
Bei für sie interessanten Themen können sie dem Gegenüber ins Wort fallen (was kein Zeichen mangelnden Respekts ist, eher von Eifer und Interesse).
-
Manche neurodivergenten Menschen zeichnen sich durch gnadenlose Ehrlichkeit aus – sozial verträgliche Alltagslügen sind ihnen fremd. Ihre Art kann als beleidigend empfunden werden.
Diese Punkte können Menschen, die nie mit neurodivergenten Personen in Berührung gekommen sind, ohne eine entsprechende Schulung nicht wissen. Sie führen oft zu Missverständnissen oder Ärger.
Herausforderungen bei der Arbeit
Neurodivergente Menschen brauchen noch weit mehr als ihre Kolleg:innen klare Anweisungen. Andernfalls kann es gerade bei der Teamarbeit schwierig werden: Wer macht was in welcher Reihenfolge? Weitere Probleme können sich auftun:
-
beim selbstständigen Priorisieren bestimmter Aufgaben
-
bei erwarteten Verhaltensweisen im Team
-
bei der Notwendigkeit zum Multitasking
Speziell Autist:innen haben zudem ein Problem mit unvorhergesehenen Abweichungen vom bekannten Plan und mit Flexibilität. Derartige Situationen können lähmend auf sie wirken und sie in die Verzweiflung treiben.
Das soziale Miteinander
Oft sondern sich neurodivergente Personen ab, wenn die Kolleg:innen etwas gemeinsam machen – sei es das Mittagessen in der Kantine, der Plausch in der Kaffeeküche oder gemeinsame Aktivitäten nach Feierabend und Firmenfeste.
Das kann als arrogant oder ablehnend interpretiert werden, ist aber im Normalfall nicht so gemeint: Diese Situationen lösen Stress aus, den die betroffenen Personen gern vermeiden möchten.
Der steinige Weg in den Job
In vielen Fällen bekommen neurodivergente Personen die Stellen gar nicht, in denen sie sich den oben genannten Herausforderungen stellen müssten. Oft weisen ihre Lebensläufe Schnörkel und Lücken auf, die in vielen Personalabteilungen bereits ein Ausschlusskriterium sind.
Werden sie dennoch zu Vorstellungsgesprächen oder Assessment Centern eingeladen, glänzen sie meist nicht so wie die „neurotypische“ Konkurrenz. Ihr vermeintlich schüchternes, andersartiges Verhalten lässt es einfacher erscheinen, sich für eine andere Person aus dem Bewerberpool zu entscheiden.
Tipp: Lesen Sie Ihre Stellenanzeigen aus dem Blickwinkel neurotypischer Personen und passen Sie sie gegebenenfalls an. „Teamfähigkeit“ klingt gut, aber ist sie für die Stelle wirklich eine Voraussetzung? Derartige Anforderungen können abschreckend wirken.
Lernen über Neurodiversität
Es gibt viele Wege, wie Sie Ihren Angestellten Wissen und praktische Tipps rund um die Neurodiversität zugänglich machen können. Manche Dienstleistungsunternehmen wie etwa auticon oder diversicon haben sich darauf spezialisiert, Unternehmen, Teams, Personaler:innen, Führungskräfte oder Einzelpersonen hinsichtlich des Miteinanders mit neurodivergenten Menschen zu schulen. Zudem bieten sie hoch qualifizierte neurodivergente Mitarbeiter:innen an.
Zu den Angeboten zählen E-Learnings, Vorträge, Schulungen, Trainings, Workshops, Beratungen und Coachings. Die wichtigsten Inhalte sind:
-
der Abbau von Vorurteilen und die Dekonstruktion von Stereotypen
-
die Informationsvermittlung
-
die Förderung von Verständnis und Akzeptanz
-
das Herausstreichen der Vorteile neurodiverser Teams
-
Praxistipps anhand echter Beispiele
-
Ratschläge für eine integrative Unternehmenskultur
-
Hinweise für Arbeitsplatzgestaltung für neurodivergente Angestellte mit einfachen Mitteln
-
Verbesserung des Rekrutierungsprozesses für neurodivergente Personen
Die Schulungen eröffnen Ihrem Team die Möglichkeit, neurodivergente neue Kolleg:innen vorurteilsfrei aufzunehmen. Oft stellt sich in den Coachings heraus, dass manche Leute aus dem Team sehr genau wissen, wovon die Rede ist – für sie ist es eine Erleichterung, dass die anderen Mitarbeitenden nun Informationen zu einem Thema erhalten, das für sie schon immer den Alltag prägt.
Häufig erhalten Unternehmen nach den informativen Events ein Zertifikat, das sie als potenzieller guter Arbeitgeber für neurodivergente Personen ausweist – im Kampf um Fachkräfte ist das ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil.
Neue Haltung ist notwendig
Möchten Sie für neurodivergente Menschen ein guter Arbeitgeber werden, ihre Schwächen ausgleichen und ihre Stärken fördern, ist es wichtig, dass Sie die Unternehmenskultur dafür öffnen. Die angenehme Gestaltung des Arbeitsplatzes und des sozialen Arbeitsumfeldes für neurodivergente Personen sollten in das Diversity Management integriert werden.
Personaler:innen und Führungskräfte zu schulen, ist unabdingbar, aber vernachlässigen Sie auch die anderen Angestellten nicht: Dass sie verstehen und mitmachen, ist eine Grundvoraussetzung für eine gelingende Inklusion.
Gute Schulungen wirken nicht wie ein Zwang, sondern führen den Teilnehmer:innen vor Augen, dass sie selbst profitieren. Behalten Sie aber immer im Hinterkopf, dass eine Werteanpassung immer auch eine Auseinandersetzung mit den eigenen Vorstellungen und Gewohnheiten erfordert und dass manche Menschen nur schwer dazu zu bewegen sind.