Schätzungen zufolge sind 15 bis 20 Prozent aller Menschen neurodivergent. Viele von ihnen leiden an sensorischen Empfindlichkeiten. Lärm in einem Büro etwa, den sogenannte neurotypische Menschen als lästig empfinden, kann sie so stark einschränken, dass sie nicht mehr leistungsfähig sind. Ähnlich ist es bei allen Sinneswahrnehmungen: Neurodivergente Menschen nehmen Dinge stärker wahr und können sie weniger gut ausblenden. Gestalten Sie Arbeitsplätze passend für neurodivergente Menschen, profitieren alle Ihre Mitarbeitenden davon, da die Umgebung insgesamt angenehmer wird.
Die wichtigsten Informationen zur Arbeitsplatzgestaltung für neurodivergente Mitarbeiter
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Neurodivergente Menschen empfinden oft Sinneseindrücke stärker als andere.
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Sie werden häufig schneller abgelenkt oder leiden unter Lärm, unangenehmem Licht oder Chaos.
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Arbeitgeber können bei der Arbeitsplatzgestaltung darauf achten, dass es verschiedene Bereiche für unterschiedliche Bedürfnisse gibt.
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Die Möglichkeit zur Bewegung sollte im Büro gegeben sein.
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Alle Mitarbeitenden profitieren von Digital Detox im Unternehmen, neurodivergente Angestellte aber in besonderem Maße.
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Mit Tools lässt sich das Arbeiten am Computer barrierefrei gestalten.
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Flexible Pausenregelungen tragen zur Stressreduktion und zur Konzentrationsfähigkeit bei.
Neurodivergente Menschen empfinden unterschiedlich
Unter dem Begriff Neurodivergenz werden Menschen zusammengefasst, deren Gehirne auf sehr verschiedene Weisen jenseits des Durchschnitts Informationen verarbeiten. Was alles dazuzählt, haben wir im Beitrag Neurodivergenz im Unternehmen ausgeführt.
Da Menschen mit ADHS andere Empfindlichkeiten haben als Autist:innen beziehungsweise Personen mit Zwangsstörungen oder Dyslexie, gibt es nicht „den“ perfekten Arbeitsplatz für neurodivergente Menschen. Bei der Arbeitsplatzgestaltung für neurodiverse Mitarbeitende geht als also eher darum, Optionen zu schaffen und den Angestellten eine gewisse Entscheidungsfreiheit und Kontrolle zu geben.
Den Büroraum mit allen Sinnen betrachten
Betreten Sie ein Großraumbüro, in dem alle Arbeitsplätze gleich angeordnet und aufgebaut sind, mag das zunächst ordentlich und fair wirken. Es berücksichtigt aber nicht, dass Menschen unterschiedliche Bedürfnisse haben. Manche brauchen mehr Geräusche und Interaktion, um gut arbeiten zu können, andere wiederum müssen sich abschotten können.
Ein Büro, das alle Optionen berücksichtigt, bietet verschiedene Arbeitsplätze und Zonen an: Es gibt ruhigere Orte und lebhaftere, hellere und dunklere. Auch die neurotypischen Angestellten werden es als angenehm empfinden, wählen zu können.
Geräusche haben starken Einfluss
Wer an ADHS leidet, hat keinen natürlichen Filter, um Geräusche auszublenden. Mittellaute Gespräche am Schreibtisch nebenan können dazu führen, dass keinerlei Konzentration möglich ist. Wer für das Fokussieren komplette Ruhe braucht, profitiert von einem Einzelbüro. Natürlich ist das in vielen Fällen nicht möglich. Es gibt aber kostengünstige Alternativen, etwa:
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schallschluckende Trennwände
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Noise-Cancelling-Kopfhörer
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ausgewiesene Ruheräume und Büros, die speziell für Menschen da sind, die still arbeiten möchten
Hintergrundgeräusche in einem Großraumbüro, die sich nicht vermeiden lassen, werden oft als weniger störend empfunden, wenn Sie sie mit weißem Rauschen überdecken.
Größere Unternehmen können auch von schalldichten Arbeitskabinen profitieren: Sie kosten nicht viel und ermöglichen die Einrichtung kleiner, stiller Arbeitsplätze mitten im Trubel.
Tipp: Manche Menschen können nur arbeiten, wenn sie bestimmte Hintergrundgeräusche hören. Wenn jemand über Kopfhörer ein Hörspiel oder eine Serie laufen lassen möchte, geben Sie Ihr Okay für einen Versuch – es geht ja letzten Endes nur darum, dass die Ergebnisse zufriedenstellend sind.
Ruhe und Klarheit durch Design
Verzichten Sie bei der Einrichtung des Büros auf gemusterte Fußböden – diese wirken verwirrend und tragen zur Desorientierung bei. Auch bei der weiteren Einrichtung sollten Sie auf starke Muster verzichten. Gut geeignet für eine beruhigende, übersichtliche Umgebung sind etwa:
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gut sichtbare Ausschilderungen
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schlichte Farbgebung
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einige strategisch günstig positionierte Kunstwerke und Bilder als Orientierungspunkte (in den Büros sollten Sie allerdings nichts oder nur wenig an die Wände hängen)
Je einfacher die Wege im Unternehmen zu finden sind und je weniger Chaos herrscht, desto wohler fühlen sich die meisten neurodivergenten Menschen. Sich intuitiv zurechtzufinden, bietet immer Sicherheit.
Die Lichtfrage
Wie die Beleuchtung idealerweise aussehen sollte, ist eine Empfindungsfrage. Manche Menschen bevorzugen helles Licht, andere mögen es gedämpfter. Viele neurodivergente Menschen, die schnell an Reizüberflutung leiden, kommen insgesamt mit gedämpftem Licht besser klar.
Was Sie auf jeden Fall tun können: Ersetzen Sie Leuchtstoffröhren durch hochwertige LEDs. Das Licht am Arbeitsplatz sollte gleichmäßig scheinen und nicht flackern. Sie können auch mit verschieden starker Beleuchtung unterschiedliche „Inseln“ in einem großen Raum schaffen. Stehen Ihnen mehrere Büroräume zur Verfügung, können Sie Arbeitsplätze mit verschieden starker Beleuchtung anbieten.
Tipp: Schaffen Sie Sonnenbrillen oder Blaulichtfilterbrillen an, die die Augen während der Arbeitsstunden am Computer schützen.
Bewegungsfreiheit
Dass Menschen in Bürojobs sich zu wenig bewegen, ist ein altbekanntes Phänomen. Viele Personen mit ADHS haben häufig den Drang, sich zu bewegen oder ihre Position zu verändern. Das können Sie durch verschiedene Angebote ermöglichen, etwa:
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höhenverstellbare Tische
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aktive Sitzmöbel
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Fußhocker
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Stressbälle oder Handkreisel
Bieten Sie einen aktiven Bereich an, in dem das Team gemeinsam brainstormen kann, können Sie ihn mit Sitzbällen oder Schaukelstühlen ausstatten. Auf diese Weise können Angestellte mit ADHS ihrem Bewegungsdrang nachgeben – und alle anderen haben ebenfalls die Möglichkeit, ihre Muskeln zu lockern und Verspannungen vorzubeugen.
Frische Luft
Unter abgestandener Luft leiden alle Mitarbeitenden, neurodivergente Kolleg:innen können sie aber als besonders unangenehm oder beeinträchtigend empfinden. Stellen Sie sicher, dass die Frischluftzufuhr jederzeit gewährleistet ist. Grüne Zimmerpflanzen tragen zur Luftverbesserung bei und sind darüber hinaus für das Auge angenehm, ohne zu stark abzulenken.
Passende Tools und Digital Detox
Es gibt Tools, die manchen neurodivergenten Menschen die Arbeit sehr erleichtern. Wer zum Beispiel an Dyslexie leidet, profitiert ungemein von einer Speech-to-Text-Software. Bei Schwierigkeiten mit der Texterfassung besteht die Möglichkeit, sich den Text vorlesen zu lassen. Es gibt viele Angebote, die Arbeit am Computer barrierefrei zu gestalten.
In vielerlei anderer Hinsicht sollten Sie das digitale Angebot in Ihrem Unternehmen aber einer kritischen Prüfung unterziehen. Neurodivergente Menschen werden leicht abgelenkt, wenn sie zu viele Kanäle überwachen müssen. Verschlanken Sie daher das Angebot so weit wie möglich – wie das geht, lesen Sie in unserem Beitrag zur Implementierung von Digital Detox-Strategien.
Kommunikation ist unerlässlich
Da neurodiverse Menschen sich in ihren Bedürfnissen stark voneinander unterscheiden, sollten die Führungskräfte regelmäßig das Gespräch mit ihnen suchen und herausfinden, ob es Optimierungsmöglichkeiten gibt. Das Angebot von Rückzugsorten und flexiblen Pausenzeitregelungen kann viel Druck aus dem Arbeitsalltag nehmen und den Angestellten ermöglichen, ihren Tag so positiv und produktiv wie möglich zu gestalten. Dies sind Punkte, die die Arbeit auch für neurotypische Mitarbeitende angenehmer machen.